Geschichtliches

Taucht man tief genug in die Geschichte der meldorfer theatergruppe ein, so stößt man auf den Namen Ruth Schmidt. Sie kam 1976 auf die Idee, mit einer Laienspielgruppe bei Feiern aufzutreten. Als Mitglied in der Gewerkschaft und in der SPD wollte sie deren Feste mit fröhlichen Sketchen bereichern. Sie ließ der Idee die Tat folgen. Fünf Jahre lang bemühte sie sich um Texte und Darsteller, erntete höflichen Beifall, aber erkannte selbstkritisch: Ich brauche Hilfe!

In Meldorf gibt es einen Ort, wo das Laienspiel seit vielen Jahrzehnten Tradition hat: die Gelehrtenschule.  Dort hatte der legendäre Reformpädagoge und Schriftsteller Martin Luserke fünf Jahre lang, von 1947 bis 1952, das Laienspiel zu höchster Blüte gebracht. 1968 kam Kurt Weißinger als Deutschlehrer an die Gelehrtenschule. Sein Chef war Oberstudiendirektor Max Friedrich Jensen. Beide hatten aus früheren Jahren Erfahrung mit dem Schülertheater. Kurt Weißinger rief die Arbeitsgemeinschaft Laienspiel ins Leben, die unter anderem auch plattdeutsche Übersetzungen klassischer Texte aufführte, die von Max Friedrich Jensen stammten.

1981: Ruth Schmidt traute sich. Mit klopfendem Herz rief sie bei Kurt Weißinger an, den sie nicht kannte, und bat ihn um Hilfe: ein paar Ideen, ein paar Regieanweisungen, damit der neueste Sketch Betriebsklima jammervoll ein bisschen spritziger, ein bisschen professioneller gelingen würde. Und Kurt Weißinger kam, korrigierte, ermunterte und verbreitete gute Laune.

1982 wurde aus dem Häufchen Laienspieler, das auf Weihnachtsfeiern, Betriebsfesten und Vereinsvergnügen mit humorvollen Theaterstückchen für Stimmung sorgte, ganz offiziell die meldorfer theatergruppe. Kurt Weißinger wurde ihr erster Leiter, tatkräftig weiter unterstützt von Ruth Schmidt.

Das Niveau der Aufführungen steigerte sich erheblich unter Weißingers Leitung. Doch nach wie vor wurden Einakter einstudiert, vorwiegend mit heiterem Inhalt. Curt Goetz war Lieblingsautor. Geprobt wurde überall, wo gerade Platz war: in Schulen, Gaststätten, im Jugendaufbauwerk.  Die Aufführungen fanden auf improvisierten Bühnen statt oder, mit etwas Glück, in der „Erheiterung“. Aus dem Rahmen des Üblichen fiel 1985 die Inszenierung von Die Frauen von Kalatas (Walther Eckart) für die Friedensnacht im Meldorfer Dom.

Die vielen Provisorien waren erträglich, weil Rettung in Sicht war: in der Süderstraße wurde die „Ditmarsia“ saniert und 1992 eingeweiht. Seitdem hat die meldorfer theatergruppe eine Proben- und Spielstätte, um die sie von den meisten Amateurbühnen im Lande beneidet wird. Längst, seit 1985, war die meldorfer theatergruppe eine Arbeitsgemeinschaft der Volkshochschule Meldorf. In der Ditmarsia bekam sie zugesicherte Nutzungszeiten. Im Gegenzug trägt sie die Verantwortung für die technische Bühnenausstattung.

Die Jahre, in denen Kurt Weißinger, zuletzt mit Hilfe von Hannelore Altenburg als Geschäftsführerin, die Theatergruppe leitete, gingen mit der Eröffnung der Ditmarsia im März 1992 zu Ende. Seitdem gibt es eine Satzung und eine „Verwaltungsgruppe“. Diese bestimmt aus ihren Reihen den Chef oder die Chefin der Laienspieler. Zwölf Jahre lang war das Uwe Peters. Seit 2004 ist es Sabine Volkmann.

Das Ensemble der Theatergruppe wuchs unaufhaltsam. Seit mit Susan Claussen 1985 eine Schauspielerin und Regisseurin zur Truppe stieß, die in den USA und in Kanada Schauspiel studiert hatte, wurden die ausgewählten Stücke länger und die Ansprüche höher. Während sich Kurt Weißinger allmählich zurückzog, brachte Susan Claussen unvergessene Inszenierungen wie Der Untergang von Walter Jens (1988) oder Unsere kleine Stadt von Thorton Wilder (1990) auf die Bühne.

Das erste abendfüllende Stück, das in der Ditmarsia aufgeführt wurde, war Vaclav Havels Erschwerte Möglichkeit der Konzentration. Endlich konnte ein Bühnenbild gebaut werden, das nicht in einen Anhänger passen musste, um von Spielstätte zu Spielstätte transportiert zu werden. Und noch etwas Neues kam mit der Ditmarsia hinzu: Es konnten Kinderstücke inszeniert werden! Schulklassen und Kindergartengruppe kamen mit ihren Begleitern, ganze Vorstellungen wurden von ihnen gebucht, zu anderen Aufführungen kamen Eltern, Großeltern und Kinder. Viele Jahre lang waren die Kinderstücke wahre Renner der Theatergruppe. Bis zu elfmal wurde ein Stück gespielt. Obgleich die Eintrittspreise sehr niedrig waren, wurden die Kinderstücke zum finanziellen Rückgrat.

Den Anfang machte 1992 Hannelore Altenburg mit Die dumme Augustine von Otfried Preußler. 1993 wurde sie von Annelie Anhut unterstützt, die im Laufe der kommenden Jahre zur wichtigsten Kinderstück-Regisseurin wurde und es heute noch ist.

Die Mitgliedzahl der Theatergruppe war mittlerweile auf über 50 angewachsen, und (fast) alle wollten auf die Bühne. Seit der Eröffnung der Ditmarsia wurden darum jedes Jahr zwei Stücke einstudiert: Regie führten meisten Susan Claussen für das Erwachsenenstück im Frühjahr und Annelie Anhut für das Kinderstück zur Adventszeit. 1999 wagte Annelie Anhut sich an das schwierige Genre Boulevardstück. Mit der Komödie Keine Leiche ohne Lily von Jack Popplewell begeisterte sie die Zuschauer. Damit war die dritte erfolgreiche Gattung für die Meldorfer Amateure gefunden. Als weitere Sparte entwickelte sich die Reihe der Literaturabende mit und ohne Musik.

35 Jahre Amateurtheater in Meldorf, das bedeutet auch 35 Jahre  ein Publikum, das  den Schauspielern die Treue hält. Sieben oder achtmal füllt sich bei jeder Inszenierung die Ditmarsia. Spätestens nach dem Premierenbericht in der Lokalpresse sind die Aufführungen ausverkauft. Mund-zu-Mund-Propaganda tut ihr Übriges. Jedes vertraute Gesicht auf der Bühne wird wahrgenommen, jedes neue hinterfragt: Wer ist denn das?

Die Zuschauer trauen ihren Regisseurinnen und Darstellern inzwischen fast alles zu:  Seit 2009 „Der Zauberer von Oz“ mit Gesang und fantastischen Kostümen  und im Jahr darauf „Die Dreigroschenoper“ erfolgreich aufgeführt wurden, folgte das Meldorfer Publikum den Theatermachern bei vielen Experimenten, zuletzt 2015 bei „Jedermann„, 2016 bei „Barfuß im Park“ und 2017 „Wir sind noch einmal davongekommen„.

(Anneliese und Uwe Peters)